Eigentlich hat Chicago beste Vorraussetzungen, um eine ganz eigene Architekturbiennale zu etablieren: einen enthusiastischen Bürgermeister und das allgegenwärtige Erbe von Sullivan bis Mies. Dennoch trifft man viel Altbekanntes aus Venedig: dieselben Namen, dieselben Arbeiten. Die Kuratoren Sharon Johnston und Mark Lee erläutern, warum für sie der Blick nach Europa besonders wichtig ist.
Was soll diese Biennale für Chicago bewirken?
Sharon Johnston Das Chicago Cultural Center ist ein öffentlicher Ort mitten im Zentrum. Wir wollen Räume, die öffentlich genutzt werden, transformieren, neue Nutzungen ermöglichen, und Bereiche, die bisher beinahe unsichtbar waren, aktivieren. Zum Beispiel hat Frida Escobedo mit ihrer Installation im Eingangsfoyer auf der Seite des Randolph Square einen wunderbaren Ort geschaffen, der die Leute hineingleiten lässt in die Ausstellung. Vielleicht bemerken sie nicht einmal, dass sie sich in einer Installation befinden. Die Grenzen zwischen Ausstellung, Gebäude und Stadt verschwinden.
Mark Lee Eines unserer Ziele ist es, die Architektur-Community aus der ganzen Welt zu versammeln, um einen Dialog in Gang zu setzen. Und es geht uns auch darum, ein größeres Publikum zu erreichen, nicht nur Architekten.
Wen genau meinen Sie mit „größeres Publikum“? Auf den beiden Eröffnungssymposien haben vor allem Architekten, Architekturhistoriker und -theoretiker gesprochen. Wo sind die anderen Akteure der Branche, Projektentwickler oder Politiker?
ML Wir haben Universitäten eingeladen, die beiden Symposien zu konzipieren. Harvard hat das Thema Geschichte gewählt, Columbia über Architekturbücher gesprochen.
SJ Dies ist hier erst die zweite Biennale. Sie rückt das Potential der Architektur für Chicago zunehmend ins öffentliche Bewusstsein. Bürgermeister Rahm Emanuel hat verschiedene Initiativen gestartet, dazu zählt das „Urban River Edges Ideas Lab“, das die Flussufer durch zusammenhängende Fußwege erlebbar machen soll, oder der Wettbewerb „Housing Library“, der Stadtteilbibliotheken und sozialen Wohnungsbau verbinden soll. Wir hoffen, dass auch Projektentwickler nach Chicago kommen und sich inspirieren lassen. Wir möchten Debatten anstoßen, Fragen stellen. Nachdem die Grundlagen gelegt sind, scheint das möglich, aber es braucht Zeit.